zurück zur Hauptseite

Eine arabische Geschichte erzählt von der Freiheit des Magiers.

Ein Magier war, begleitet von seinem Lieblingsschüler, auf dem Weg in die Berge, um zu fasten und zu meditieren. Da überbrachte man ihm die Nachricht, dass Feinde sein Haus verwüsteten. Daraufhin hielt der Magie inne und hob einen Kiesel auf. Mit ihm führte er drei schneidende Bewegung in Richtung seiner Heimat. Dann verharrte er eine Weile in seiner Bewegung und warf schließlich den Stein in die gleiche Richtung. Die Feinde sind geschlagen, sagte er und setzte seine Wanderung in die Einsamkeit der Berge fort. So war es auch. Fluchtartig hatten seine Feinde sein Haus verlassen, denn die Fenster barsten und die Scherben schnitten ihnen ins Fleisch und zugleich sauste ein Blitz hernieder, der sie zu Boden warf und blendete.

Später fragte ihn sein Schüler, wie der Zauber habe wirken können, wo er doch so karg gewesen sei wie der Stein; zudem hätte er weder dem rituellen Gebrauch entsprochen, noch wäre er irgendwo verzeichnet gewesen. Der Magier antwortete ihm: "Sieh, mein Freund, ein Zauber ist nicht das Ritual, sondern die Bewegung der Kraft. Sie allein zählt. Das sichtbare Ritual ist nur für den Blinden in dir, der die Kraft nicht sieht, weil er an ihr zweifelt. Ihn muss dein Ritual überzeugen, damit er glaubt, sehend zu sein. Nur dann trägt der Zauber die ganze Kraft deines Wesens, die er benötigt, um zu wirken. Der Blinde in mir ist jedoch längst ein Sehender geworden. Deswegen hätte ich den Zauber auch ohne jede sichtbare Bewegung durchführen können. Ich tat es jedoch nicht, weil der Blinde in dir, mein Freund, nach dem Zauber verlangte. Schließlich war es auch deine Kraft, die die Feinde vertrieb. Das Ritual, obwohl flugs gewählt und spröde in seiner Art, hat dich überzeugt, weil es ein Sehender beging. Was du wirklich gesehen hattest, war indessen nicht das Ritual, sondern die wirksame Bewegung der Kraft und des Raumes." Da erkannte der Schüler seine Beschränktheit. Er ließ von den erlernten Ritualen ab und wandelten sich zu einem Meister, der die Rituale an seine Schüler weitergab, damit diese sich mit ihrer Meisterschaft von ihnen lösen konnten.

Folgen wir der Geschichte aus Arabien, erfahren wir, dass ein Ritual an und für sich ohne echte Bedeutung ist, solange wir es verstehen, aus dem Raum der weißen Magie heraus zu wirken. Dennoch bedarf es des Rituals, um die Anbindung an diesen Raum und seine Kraft herzustellen, um, wie es der arabische Magier sagte, den Blinden in uns zu täuschen. Demnach gilt, das Ritual ist für uns und nicht für den Zauber von Bedeutung. Das erklärt auch, warum im allgemeinen doch der Grundsatz gilt: Magie ohne Ritual ist kraftlos.

Ich konnte öfters beobachten, dass magische Handlungen wirkungslos blieben, weil sie in kein Ritual eingebunden waren oder nur halbherzig und unzulänglich durchgeführt wurden, ? weil sie eben dem Blinden in einem selbst nichts zu sehen gaben. Dies mag sicher mit daran gelegen haben, dass der Durchführende einerseits meinte, er könnte sich über die äußere Form des Zaubers hinwegsetzen, während ihm deswegen gleichzeitig Zweifel plagten und ihm bange war.

So erzählte mir zum Beispiel Carol, ein alter Magier aus Prag, einmal von seinen magischen Anfängen. Damals in der kommunistischen Ära gab es nur wenig Literatur zur Magie und so orientierte man sich am Hörensagen. Manches von dem, was Carol erzählt wurde, kam ihm recht antiquiert vor. Er hielt es für unnötigen Klimbim, der einen Zauber nur in die Länge zog. Also ging er recht unbekümmert vor und verkürzte so manches Ritual. Er schien damit auch keine großen Probleme zu haben. Doch nach einem leichthin durchgeführten Experiment lernte er, die Dinge anders zu sehen.

Carol hatte sich darauf eingelassen, die Geister Verstorbener herbeizuzitieren. Dabei hielt er sich aus den erwähnten Gründen nicht an die Vorsichtsmaßnahmen, die man ihm für dieses Ritual empfohlen hatte. In der Nacht nach der Beschwörung wachte er auf und empfand es als ungewöhnlich kalt im Schlafzimmer. Als er sich eine Überdecke aus der Kammer holen wollte, roch er Zigarettenrauch auf dem Flur. Carol war Nichtraucher. Das kam ihm schon seltsam vor. Doch er machte sich darüber keine weiteren Gedanken. Am nächsten Abend wiederholte er die Beschwörung, obwohl er eigentlich kein Interesse mehr daran hatte. Doch irgendetwas drängte ihn dazu. Diesmal schlief er gut. Indes sah er sich beim Frühstück immer wieder um, weil er meinte, jemand stünde hinter ihm. Auch am folgenden Abend beschwor er den Geist erneut.

Dies ging über annähernd zwei Wochen. Carol sah sich mit immer mehr seltsamen Phänomenen konfrontiert. Er hatte das Gefühl, dass ihn jemand begleitete. Gleichzeitig setzte er zwanghaft die Geisterbeschwörungen fort. Schließlich konnte er es vor sich selbst nicht mehr verbergen, dass er in eine Art Besessenheit geraten war. Also bat er Jiri, einen erfahrenen Spiritisten, um Hilfe. Der war blank entsetzt, als er von dem stümperhaften Ritual hörte und setzte dem Spuk durch einen gezielten Geisterbann ein Ende. Am präzisen Ablauf dieses Rituals erkannte Carol seine Fehler und seinen Dünkel. Für beides schämte er sich sehr. Gleichzeitig war dieses Erlebnis für ihn der Beginn einer tiefen und anhaltenden Beschäftigung mit der Magie. Hierbei lernte er ebenso viel über die Bedeutung der Rituale, wie über die Freiheit vom Ritual, die die Magie dem Eingeweihten gewährt. So erkannte Carol, dass sein anfänglicher Ansatz nicht grundverkehrt war, dass es aber Wissen braucht, um ein Ritual zu verändern respektive frei zu gestalten.

Es ist das magische Wissen selbst, das dem Magier die Freiheit gewährt, von seinem Wissen befreit einen spontanen und wirksamen Zauber zu gestalten.